1974, Klassenreise nach Prag. Ein eiskalter Februartag, alles ist düster und unwirklich. Die Landschaft ist tief verschneit. Unser Zug fährt durch das Elbsandsteingebirge zwischen Dresden und der damaligen Tschechoslowakei. Die alte Dampflokomotive keucht schwer, der Schornstein sprüht Rauch, Funken und Kohlestücke. Kontrollen, Posten, Bahnpolizei mit Schäferhunde im Zug. Ich komme mir vor wie „Dr. Schiwago“ auf dem Weg in die Verbannung. Und trotzdem, ich starre durch die Eisblumen an den Scheiben hinaus auf den Fluss. Ich bin fasziniert von der Landschaft und dem Fluss, unserer hier so ganz anderen Elbe.

Wenn man dort einmal paddeln könnte! Das wäre etwas! Das ist natürlich ein völliges Hirngespinst. Der Fluss liegt hinter dem Eisernen Vorhang. Auf beiden Seiten der Grenze belauern sich hochgerüstete Panzerarmeen.


2019, 45 Jahre später. Ich stehe mit acht Paddelkameraden vom Wassersport-Verein Süderelbe e.V. am Ufer der Oberelbe bei Decin in Tschechien. Alles ist unkompliziert, keine Grenzen, keine Kontrollen, keine Probleme, nur freundliche Menschen. Wir schieben unsere Kajaks ins Wasser. Es soll von Decin über Wehlen, Dresden, Coswig, Riesa, Mühlberg bis nach Torgau gehen. Eine Woche Vagabundenleben mit Zelt und Schlafsack. Gekocht wird auf kleinen Trekkingkochern.

Wir gleiten mit unseren Booten durch das tief eingeschnittene Tal der Oberelbe. Hinter jeder Kurve erwarten uns neue faszinierende Ausblicke auf schroffe Sandsteinformationen. Unerwartet stehen zwei seltene Schwarzstörche am Ufer. Die Strömung zieht uns mit, viel zu schnell haben wir unser Tagesziel erreicht. Gezeltet wir an Bootshäusern befreundeten Kanuvereine. Viele Schlösser und Klöster sind in den letzten Jahren aufwendig saniert worden und können vom Boot aus in ihrer ganzen Pracht bewundert werden. Ein Stadtrundgang in Dresden ist ein Muss.

Die Elbe führt wegen der Trockenheit wenig Wasser, die Schifffahrt ist schon lange eingestellt. An einem Seitenarm der Elbe können wir in der Abenddämmerung lange zwei Biber bei der Futtersuche beobachten. Ein kleines highlight.

Schade, dass ein Paddelurlaub immer so schnell zu Ende geht!

Am letzten Urlaubstag holen wir unsere Autos nach, mit der Bahn. Wir sitzen in schicken supermodernen vollklimatisierten Nahverkehrszügen und ich denke, was mag aus der alten feuerspeienden Dampflokomotive von 1974 geworden sein? Vielleicht hat sie einen würdigen Platz in einem Verkehrsmuseum gefunden.

Text und Fotos vom Wanderwart

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